Kapitel I – Rache an meinen Feinden

 

Ein eiskalter Wind peitschte über die schneebedeckte Landschaft des Alteractals. Der Frost nagte an dem Troll, der durch diese Einöde ritt und hätte ihn zu diesem Zeitpunkt nicht gerade ein dutzend Anhänger der Allianz verfolgt, er wäre wahrscheinlich erfroren. Doch sein unbändiger Wille am Leben zu bleiben trieb ihn voran. Rotes Haar, das zu einem schulterlangen Zopf zusammengebunden war, flatterte wild im Reitwind, seine sonst so bläuliche Haut färbte sich mit einem weißlichen Stich aufgrund der Kälte die das Tal in sich trug. Seine spärliche, schwarze Lederrüstung bot ihm nur geringen Schutz davor. Zwei Stoßzähne, fast so lange wie die Klinge eines Dolches ragten aus seinem Maul und wirkten mit der schwarzen Augenklappe über seinem rechten Auge bedrohlich. Der smaraktgrüne Raptor auf dem er ritt sprang geschickt über Stock und Stein. Er war sichtlich genauso wenig daran interessiert, gefasst zu werden, wie sein Besitzer. „Schneller mein Guter, schneller. Wir haben unsere Kameraden fast erreicht, “ peitschte er ihn an. Als ob er verstehen würde, senkte er seinen Kopf, spannte die  Muskeln seiner Läufe an und rannte noch schneller. Schneller als je zuvor, dicht gefolgt von lautem Kampfgeschrei. Der Troll warf einen Blick nach hinten und sah dass sich seine Feinde schnell näherten. „Ich weis du bist müde, mein Junge. Wir beide sind das. Lass mich jetzt nicht im Stich, “ sprach der Troll ruhig. Mit aller Kraft, rammte der Raptor seine Krallen in den festen Schnee um noch mehr an Geschwindigkeit zu zulegen. Vor ihnen lag ein kleiner Engpass. Rechts und links davon ragten riesige schneebedeckte Hügel und hölzerne Barrikaden in die Höhe. Wie der Wind ritt er auf ihn zu, mit dem Geschrei der Allianz im Genick. Der Troll wagte nun keinen Blick mehr nach hinten. Er hatte sein Ziel fast erreicht. Als er kurz vor dem Engpass war, sprang der Troll mit beiden Beinen auf den Sattel, noch einmal letzte Worte sprechend: „Gut gemacht, mein Junge. Nun lauf. Lauf zur Burg und warte dort auf mich.“ Mit einem großen Satz sprang der Troll von seinem Reittier, rollte sich in den Schnee ab und verschwand hinter dem Engpass. Zu seiner Linken, sah er Anhänger der Horde. Tauren, Untote, Orcs und Trolle zum Kampf bereit. Er führte die Allianz direkt in einen Hinterhalt. Dürstend nach Blut folgten sie ihm, ohne darüber nach zu denken, was sie hinter diesem Engpass erwarten könnte. „Bist du bereit Thelias? Das wird ein harter Kampf, “ sprach der Troll zu dem Orc, der neben ihm an einem großen Felsen lehnte. Thelias, wie der Troll ihn nannte, trug ein Langschwert in seiner rechten Hand. Die Rüstung die er trug, bedeckte fast seinen gesamten Körper. Nur spärlich konnte man die dunkelgrüne Haut darunter ausmachen. Der Orc klappte das Visier seines Helmes herunter und verdeckte so die beiden gelben Stoßzähne, die er abgeschlagen hatte um den Helm passend zu machen. Nur noch seine dunklen Augen lugten aus einem kleinen Schlitz hervor. Sie brannten vor Blutlust und blechern ertönte die Stimme: “Ich bin bereit geboren worden, Shadovv. Lass sie nur kommen, das wird ein Fest!“ Mit einem kurzen Lächeln, wandte sich Shadovv wieder ab und sah verstohlen um die Ecke. Die Allianz hatte den Engpass fast erreicht. Der Troll hob den Arm, zur Faust geballt. Noch wenige Meter, trennte die anstürmende Bande von ihrem Verderben. „Jetzt Brüder, für die Horde“, schrie der Troll auf. Das darauf folgende Blutbad, würde noch ewig in seiner Erinnerung bleiben. Tauren und Orc Krieger packten ihre Langschwerter, schwangen sie durch die Luft, als wären es nur Zweige. Ihre spitzen Klingen durchtrennten Hals und Brust, Blut quoll aus den Wunden. Noch am Leben, jedoch unfähig sich zu erheben, mussten die Krieger der Allianz mit ansehen, wie Nachtelf und Mensch, Gnom und Zwerg, Mann für Mann, unter schweren Verletzungen zu Boden ging. Keiner wurde am Leben gelassen. Der Troll selbst, der sie in diese hinterhältige Falle gelockt hatte, durchbohrte mit einer Faustwaffe, die einer Kralle mit drei Fingern ähnlich war, den Brustkorb eines Kriegers des Lichts. Noch die Waffe in der Wunde verweilend, trat er ein Stück näher an den Menschen heran. Er klappte die Augenklappe hoch, die er am rechten Auge trug und zeigte dem Paladin das faulende Loch, wo einst sein braunes Auge saß. „Sie genau hinein, Mensch. Rache, kann eines der schönsten Gefühle sein.“ Die Lippen des Kriegers zitterten. Seine Augenbrauen zogen sich hoch, seine Stirn übersäht von Falten, die angestrengtes Denken andeuteten. Und dann erschien es ihm. Er kannte den Troll. Es war seine Klinge, die dies anrichtete. Unfähig ein letztes Wort über die Lippen zu bringen, sank er tot zu Boden. Rund um den Troll war der Schnee in ein dunkles Rot getränkt. Sie alle wurden getötet. „Komm Shadovv. Dies war eine glorreiche Schlacht, “ sprach Thelias hinter ihm. Er legte ihm die Hand auf die  ledergepanzerte Schulter, wollte ihm zu einer gelungen Falle gratulieren. Shadovv wandte sich jedoch ab. Ohne ein Wort zu sagen, trat er den Weg zur Burg der Frostwölfe an.

 

„Brüder, Schwestern, Kämpfer der Frostwölfe! Hört mich an. Heute haben wir einen großen Sieg errungen. Dutzende der tapfersten Kämpfer der Allianz sind heute gefallen. Es waren eure Klingen, euer Mut und euer Wille, der euch unbesiegbar gemacht hat. Aber einen sollten wir heute nicht vergessen. Er kam als Schurke zu uns. Ausgestoßen und Verlassen von seines Gleichen. Wir haben ihn aufgenommen und er wurde ein Mitglied unsers Clans der Frostwölfe. Heute hat er bewiesen, dass selbst die schwächsten Krieger unter uns, großes leisten können. Seinem Mut ist große Beachtung zu schenken. Für die Horde, für Shadovv!“ Ein lautes Jubeln, klang durch die Hallen der Frostwölfe. Kampfschreie und huldigende Lieder drangen durch jeden Gang, der mächtigen Burg, die im Süden des Alteractals lag. Der Raum in dem die Hauptfeier im Gange war, war so groß das man fast die gesamte Armee der Frostwölfe unterbringen konnte. Riesige aus Stein gehauene Säulen stützen die Decke die uneben über den Köpfen der Feiernden hing. Auf dem Boden verteilt saßen Orcs und Tauren, als auch Untote und Trolle. Sie alle tranken, aßen und sangen den ganzen Abend Lieder über die Heldentaten vergangener Krieger. Drek´Thar, der diese Worte lauthals in die Menge warf, winkte Shadovv zu sich. Der stämmige Orc, mit weisem Haar und einer bis zum Boden reichenden Kutte, trug den Wappenrock der Frostwölfe auf dem ein weißer Wolf auf blauen Hintergrund gestickt war. Er sprach in tiefer Stimmlage: „Du hast großen Mut bewiesen. Die Informationen die du aus der Burg der Sturmlanzen entwenden konntest, könnten diese Schlacht zu unseren Gunsten entscheiden. Ein jahrelanger Krieg könnte endlich zu Ende gehen. Allerdings werden wir Verstärkung brauchen um den endgültigen Schlag, gegen unsere alten Feinde auszuführen.“ Drek´Thar nahm Shadovv an der Schulter und führte ihn an ein Fenster, durch das man auf den Burghof sehen konnte. Er lies sich nicht durch die Lautstärke der feiernden Orcs ablenken und redete weiter: „Shadovv, ich bitte dich. Reise nach Ogrimmer und berichte Thrall von unseren Erkenntnissen. Der Ruhm, mit dem er dich überschütten wird, soll dir gebühren und nicht irgendeinem Boten. Lass dich feiern, denn du bist zu einem großen Krieger herangewachsen, seitdem wir dich aufgenommen haben.“ Shadovv blickte durch das Fenster hinaus in den Hof. Eine Gestalt, in Kapuze gehüllt, huschte über den Platz. Vorbei an den Ställen der Frostwölfe blieb sie kurz an einer Schmiede stehen. Unter dem Feuer des glühenden Stahls den ein kräftiger Orc gerade bearbeitete, konnte man schemenhaft eine junge Trollin ausmachen. Kleine Stoßzähne ragten aus ihrem Unterkiefer. Ihre Haut wirkte in dem Feuer purpurn, mehr konnte man wegen des Mantels der sie einhüllte jedoch nicht erkennen. Sie blickte an der Burg entlang, hoch zu dem Fenster an dem Shadovv stand und erwiderte den Blick des Trolls. „Ruhm hat für einen Dieb wie mich keinen Wert, er erfüllt lediglich den Zweck dass sich meine Taschen füllen. Mag sein das ihr mich als Krieger huldigt, dennoch fühle ich mich nicht wie einer. Es ist hinreichend bekannt dass ich und mein Weib fort wollen und uns friedlich niederlassen. Deswegen möchte ich dass ihr mir versprecht, dass dies der letzte Auftrag ist, den ihr mir erteilt. Ich brauche nur etwas Zeit um meine privaten Angelegenheiten zu regeln.“ Shadovv wandte den Blick von der Trollin ab und blickte Drek´Thar in die Augen, die von hohem Alter und Weisheit erfüllt waren. Ein Schmunzeln kam über seine Lippen und lachend erwiderte er: „Ha, natürlich mein Freund, natürlich. Erfreue dich am Leben und genieße es. Warte aber bitte nicht zu lange. Wir haben der Allianz heute einen schweren Schlag versetzt. Es wird eine Zeit brauchen, um sich davon zu erholen. Allerdings wird ihr Gegenangriff sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Erzähle niemanden hier von diesem Auftrag. Die Männer könnten ihren Kampfgeist verlieren, wenn einer meiner besten Kämpfer plötzlich das Schlachtfeld verlässt. Ich werde sie davon unterrichten, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Bis dahin bleib im Verborgenen. Attentäter könnten dir sonst auf die Spur kommen und die Informationen würden Ogrimmer nie erreichen.“ Beide klopften sich noch einmal kräftig auf die Schulter und prosteten mit ihren großen Krug Dunkelbräu an, um einen deftigen Schluck zu nehmen. Die Feier dauerte lange. Viel wurde getrunken und gespeist. Spät nachts, als alle vor Erschöpfung fest schliefen, machte sich Shadovv auf den Weg. Außerhalb der Burg, gab es eine Höhle. Sie führte tief in die Berge und endete in Hillsbrand. Am Eingang der Höhle wartet eine große, im Mondlicht dunkelgrün schimmernd Gestallt auf ihn. Sein Raptor, fertig für die Reise.

 

 

„Du willst also gehen?“ fragte eine zarte, weibliche Stimme aus der Dunkelheit. Sie war in eine dicke Wolldecke gehüllt und verbarg ihr Gesicht unter einer tiefen Kapuze. Die Stimme trat etwas aus dem Schatten den der Baum neben ihr warf heraus und bewegte sich langsam und anmutig auf den Troll zu. Leise flüsterte der Wind ihren Satz nach und eine kühle Brise streifte sein Genick. Shadovv drehte den Kopf über die Schulter. „Ich kann dir nichts über meine Beweggründe verraten Violett. Drek´Thar hat es mir befohlen.“ „Und was wirst du jetzt tun? Dich wieder wie ein Schurke benehmen und dich im Dunkeln davon schleichen? Du kannst nicht gehen ohne dich von mir zu verabschieden.“ Er unterbrach sie: „Violett, das ist mein letzter Auftrag für diesen Winter. Lass mich dies noch beenden. Danach können wir beide von hier fort gehen. Für immer. Wir bauen uns eine gemütliches Haus am Strand des Schlingendorntals und leben in den Tag hinein, fernab dieses Krieges.“  „Diese Worte habe ich schon zu oft gehört von dir. Versprechen darf man nicht brechen. Man darf sie nicht geben, wenn man nicht bereit ist sie zu halte. Der Krieger in dir ist erwacht und ich fühle wie die Blutlust in dir aufsteigt und dich nicht zur Ruhe kommen lässt, “ erwiderte die Trollin, die ihre Kapuze nach hinten schob. Shadovv wandte sich mit seinem kräftigen Körper nun ganz der Schönheit zu. Er blickte in ein sanftes violettes Gesicht, das von feuerrotem langem Harren umschlossen war. Ihre kleinen Stosszähne ragten nur leicht aus ihrem Mund der von vollen Lippen umgeben war. Sie trug ihre Haare offen und das Mondlicht lies ihr Antlitz leuchten. Es schien als würde ein Engel vor ihm stehen. Sie war so wunderschön und mit jedem Augenblick, mit dem er verharrte, wurde der Schmerz größer sie ein weiters Mal zu enttäuschen. Schon oft zuvor, brach er Versprechen die er gegeben hatte. Violett, die junge Schamanin wollte weg von dem Krieg, von dem Leid, das sie mit den Lehren der Schamanen Tag für Tag zu heilen versuchte. Aber für jeden Schmerz den sie linderte, brachen zwei Neue aus Wunden, die nicht vergehen wollten. Er blickte an ihr herab und schüchtern wie ein junger Troll sprach er leise: „Es tut mir so leid, Violett. Ich kann nicht….“ Bevor er zu Ende reden konnte, legte Violett sanft ihre Finger auf seine Lippen. „Shadovv, du hast immer versucht das Richtige zu tun und ich verstehe auch das du versuchst mir alle Wünsche zu erfüllen. Aber es geht mir hier nur um einen einzigen Wunsch. Einen der mir sehr am Herzen liegt. Ich liebe dich, ich kann nicht ohne dich sein. Jeder Tag an dem du nicht bei mir bist, schmerzt wie ein heißes Eisen das in meiner Brust steckt. Lass dies wirklich der letzte Auftrag sein, den du für diesen grausamen Krieg verrichtest. Ich habe Angst dich an die Dunkelheit zu verlieren, der du mehr und mehr verfällst, je länger du hier bleibst und diesem Krieg beiwohnst,“ Violett seufzte. „Ich werde auf dich warten. Nur versprich mir, das du zurück kommen wirst. Ich kann hier noch nicht weg, es gibt einfach zu viele Verletzte die meine Hilfe benötigen.“ Langsam sank ihre Hand, streifte an seinen kräftigen Muskeln hinab und umschlang seine Taille. Er presste sie fest an sich. Ein letztes Mal wollte er die Wärme spüren die sie ihm spendete wenn er traurig war. Ihr Griff löste sich nach wenigen Augenblicken. Violett trat ein paar Schritte zurück, ihre Augen starr auf seine gerichtet. „Ich werde bald wieder kommen, meine Geliebte“, sprach er in einem ruhigen Ton. Nicht einmal der Wind wagte es in diesem Moment das liebende Paar zu stören. Shadovv drehte sich um, atmete noch einmal tief durch und trat, ohne zurück zu blicken, den Weg durch die lange Höhle an. Er brauchte nicht zurück blicken. Er wusste das Violett Tränen in ihren zart blauen Augen hatte. Ihr Lippen leicht zitterten, ihr Gesicht verkrampfte. Sie kniff die Augen zusammen und presste ihre Tränen zu Boden. Langsam sank sie in den Schnee, keine Kälte verspürend, mit dem Schmerz einer Verlassenen kämpfend. „Rangoa, geh und tröste sie, bis ich wieder da bin. Ich kann dich dieses mal nicht mitnehmen, mein treuer Gefährte.“ Shadovv blickte zu dem Raptor der langsam an seiner Seite ging. Als ob er verstehen würde, blieb er stehen, lies noch ein letztes Mal einen klagenden Ton aus seinem Maul ertönen und wandte sich der traurigen Schamanin zu.

 

Etwas weiter entfernt, beobachtet eine weitere Gestalt das Geschehen. Versteckt hinter hohen, schneebedeckten Sträuchern, wartete sie im Schutz der Dunkelheit, bis Violett sich mit Shadovv´s Raptor in die Burg der Frostwölfe zurückzog. Noch lange sah sie ihr nach, wie sie den steilen Weg hinauf wanderte und versuchte ihr gebrochenes Herz zu heilen. „Meine Geliebte, was hab ich dir nur angetan, “ flüsterte die Gestallt leise. Ihr viel es sichtlich schwer, sich von der Trollin abzuwenden und den Weg in die Höhle einzuschlagen, durch die der Schurke fürs Erste aus ihrem Leben trat.