Kapitel II - Der Jäger wird zum gejagten
"Ah, meine jüngste Druidin. Ich habe bereits auf dich gewartet Velfara”, sprach eine tiefe Stimme, die sich hinter einem großen Feuer inmitten eines riesigen Zeltes versteckte. Die schüchterne Druidin lugte vorsichtig in das große Zelt. Der Duft der in der Luft hing, erinnerte sie stark an die Gegend um Dorf Bluthuf. Ein kleines Dorf östlich von Donnerfels, der Hauptstadt der Tauren. "Tritt ein Velfara, tritt ein und höre meine Worte“, flüsterte eine Stimme auffordernd. Velfara trat mit ihren kleinen Hufen über die Zeltschwelle und war nun ganz vom Nebel des in Rauch aufgestiegenen Sonnengrasses eingehüllt. Sie strich sich noch einmal über ihr weises Fell das ihren gesamten Körper bedeckte. Lediglich ein paar schwarze Flecken hatte sie an den Schultern. Auch wenn die Tauren als mächtige Wesen bezeichnet wurden, so hatte Velfara ein doch recht weibliches Aussehen. Eine enge Lederrüstung umschlang ihren gesamten Oberkörper und auch ihre Oberschenkel waren von dem braunen Leder mit weisen Fäden umschlungen. Ihre schwarze Mähne viel schulterlang über ihren Kopf und zwei kleine Hörner zeigten im kleinen Bogen nach vorne. Die meisten Taurendamen bewegten sich recht schwerfällig, doch Velfara hatte eine grazile Art die schon fast an eine Elfin erinnerte. Langsam trat sie um das Feuer und erkannte endlich die Stimme die zu ihr sprach. „Was ist euer Begehr mein Shando“, Velfaras weibliche Stimme, passte so gar nicht zu ihrem Erscheinungsbild. Sie trat noch etwas näher heran und kniete sich vor Hamuul. Er sprach ruhig, aber doch in sichtlicher Sorge: "Velfara ich habe einen Auftrag für dich. Er ist von größter Wichtigkeit, nicht nur für mich, sondern für alle Lebewesen auf ganz Azeroth." "Egal welchen Befehl ihr mir gebt, ich werde ihn unter Berücksichtigung des Druidentums nach bestem Können ausführen“, antwortete Velfara voreilig. Hamuul sprach weiter: "Ich weis durchaus, dass das Druidentum und dessen Regeln zu befolgen nicht zu deinen Stärken gehören. Du bist jung und unsere uralten Rituale sind dir noch nicht völlig bekannt." Velfara schnaufte. "Aber genau das ist auch der Grund, warum ich dich für diesen Auftrag erwählt habe. Etwas Furchtbares wird geschehen, wenn du scheitern solltest. Ich kann dir zu diesem Zeitpunkt noch keine Einzelheiten verraten. Vorerst ist es wichtig dass du Shadovv findest. Er ist ein Anhänger der Diebeskunst und wird somit schwieriger aufzuspüren sein. Er gehört der Rasse der Trolle an und kämpft zurzeit für die Frostwölfe im Alteractal. Aber seitdem er dies verlassen hat, kann ich seine Präsenz nicht mehr fühlen. Er ist für uns von ungeheurer Wichtigkeit. Ich möchte von dir dass du ihn aufspürst." Velfara hörte Aufmerksam zu. Als der Erzdruide seine Ausführungen beendet hatte fragte sie: "Was soll ich mit ihm machen wenn ich ihn gefunden habe?" Hamuul schnaubte ebenfalls, allerdings klang es mehr nach Trauer und Schmerz, als nach Wut. Er schloss die Augen und lies eine kleine Wolke vor sich entstehen. In dem gräulichen Gebilde konnte man Shadovv erkennen, als er gerade gegen die Allianzanhänger kämpfte. Sie prägte sich das Bild des Diebes ein und mit einem tiefen Atemzug inhalierte sie die Wolke um seine Spur aufzunehmen. Hamuul öffnete seine Augen wieder und sprach traurig:" Wenn du ihn gefunden hast, dann töte ihn." Mit entsetztem Gesicht blickte Velfara in die traurigen Augen von Hamuul. Sie konnte nicht glauben was sie da gerade gehört hatte. Sie, eine Schülerin des Druidentums, Hüter des Lebens, soll ein Lebewesen töten? Ausgerechnet sie? „Mein Shando, wenn ihr mir die Frage erlaubt. Warum soll ich in töten, was hat er getan das er solch eine Strafe verdient hat?“ Der alte Taure neigte sein Haupt. Mit brummiger Stimme, gab er Velfara zu verstehen, dass es nichts ist was er getan hat, sondern das was er tun wird. Sie sei noch zu jung um zu wissen, dass es mehr gibt als nur das Hier und Jetzt. Verständnislosigkeit spiegelte sich in ihrem pelzigen Gesicht wieder. „Wenn ihr mir solch eine schwere Aufgabe auferlegt, sollte ich über alles bescheid wissen und nicht nur blind darauf vertrauen, das ihr das Wohle unseres Volkes und das der Welt im Geiste tragt. Wenn ich diese Aufgabe annehmen soll, verlange ich zu erfahren was dieser Troll tun wird, das einen Mord rechtfertigt, “ Velfara war aufgebracht, sie schnaubte etwas schneller und wurde beinahe wütend. Aber der ruhige Blick von Hamuul holte sie aus ihrer Rage zurück. „Velfara, du bist noch jung und dein Geist muss sich erst entfalten. Wenn ich dir all das erzählen würde, wärst du mit Wissen konfrontiert das deine momentan Vorstellungskraft weit übersteigt.“ Hamuul versuchte zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen war. Er wusste dass die junge Taurin solange nach hacken würde, bis er ihr alles erzählte. „Setz dich“, befahl er mit strengem Ton. Ohne Widerworte setzte sie sich vor ihn, winkelte die Beine an und umschlang sie. Sie hielt sich daran fest wie eine Mutter ihr Kind drücken würde. Der Erzdruide begann zu erzählen: „Vor etwa 4 Jahren gab es einen Zwischenfall im Flammenschlund von Ogrimmer. Du hast sicher Geschichten davon gehört. Es hieße, dass zwei unserer Prüflinge nicht lebendig aus dem Schlund wiederkehrten. Das war es jedenfalls was wir der Öffentlichkeit erzählt hatten. Aber in Wirklichkeit wurde dort eine längst vergangene Legend wiedergeboren. Die Legende der lebenden Toten. Der Legende nach, konnte man mit einem Artefakt einem verlassenen Körper wieder Leben einhauchen. Natürlich wäre solch ein Artefakt lediglich für Untote interessant gewesen. Unglücklicherweise erfuhr einer der Verlassenen davon. Vandead war sein Name. Einst ein mächtiger Krieger der Allianz, nun ein Teil der Horde. Er führte unsere Prüflinge in einen Hinterhalt um das Opfer der Rassen zu bringen. Violett die Trollschamanin war eines seiner Ziele. Aber durch das eingreifen von Shadovv wurde ihr Tod verhindert. Der Ritus schlug fehl und Vandead erlangte unermessliche Kräfte. Viele starben durch seine Hand und nur pures Glück war es, das Shadovv half Vandead zu besiegen. Er verbrannte seine Asche und war sich sicher dass er nie wieder auferstehen würde. Aber er hat sich geirrt. Wir alle haben uns geirrt. Vandead dient einer Kraft, die stärker ist, als alles was wir bis jetzt erlebt haben. Er hat Vandead zurück geschickt und will sich nun an Shadovv rächen.“ Die Druidin lauschte den Ausführungen von Hamuul, begriff allerdings noch immer nicht was es mit diesem geplanten Mord auf sich hatte. „Wenn Vandead also zurückgekommen ist und nun nach Shadovvs Leben trachtet, warum schickt ihr dann mich um ihn vor ihm zu töten?“ „Und genau hier endet dein Wissen. Ich konnte einen knappen Blick in die Zukunft werfen. Ich habe Dinge gesehen, die ich nicht sehen wollte. Dinge die passieren werden wenn Shadovv am Leben bleibt. Vandead will ihn nicht einfach töten, nein er will ihm seine Seele rauben. Er will seinen Willen brechen und sein Herz. Vandead will in geistig als auch in Fleisch und Blut Schmerzen zufügen, die noch nie zuvor ein Wesen in Azeroth erdulden musste. Durch diesen Schmerz, wird Shadovv etwas tun, das fatale Auswirkungen auf unsere gesamte Welt haben wird. Wir stehen einer großen Katastrophe gegenüber und wenn wir ihn nicht vorher aufhalten können, wird er die Welt in einen tiefen Abgrund reißen.“ Velfara dachte nach, ihr Blick war leer und erst jetzt begriff sie, dass man ihr das Schicksal der gesamten Welt in die Hände legte. „Velfara versteh bitte, ich gebe dir diese Aufgabe nur widerwillig. Auch ich schwor einst, dass ich das Leben achten und schützen werde und mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen werde. Aber hier geht es um mehr. Hier geht es um das Schicksal von ganz Azeroth. Ich sehe es brennen und im Wahnsinn versinken. Und wenn es notwendig ist dafür einen Mord zu begehen um alle anderen zu schützen, so soll es sein. Ich würde es selbst machen, aber ich bin ein alter Bulle der kaum noch Kraft zum stehen hat. Du bist jung, agil und eine unserer besten Schleicherinnen, wenn es darum geht Beute aufzuspüren. Ich weis das du die Richtige dafür bist.“ Fast schon verzweifelt sprach Hamuul diese Worte. Er wusste genau was er hier von Velfara verlangte, aber er sah keinen anderen Ausweg. Die junge Taurin erhob sich: „Nun wenn das so ist, sollte ich mich auf den Weg machen. Ich hoffe ihr habt Recht und wir können mit diesem….wir können dieses Schicksal verhindern. Und was ist mit mir? Was werden die anderen von mir denken? Wie wird man mich behandeln wenn ich zurückkomme?“ Velfara schossen Tränen ins Gesicht. Mit Gewalt versuchte sie sie zurück zu halten, aber ihre dunkeln Augen glänzten bereits im Schein des Lagerfeuers. Hamuul schnaubte einmal und blickte zur ihr herab. Er legte seine Hände auf ihre Schulter und sagte: „Du kennst die Regeln der Druiden. Du weist was es bedeutet wenn man ein Leben nimmt und du weist ganz genau welche Konsequenzen man davon zu erwarten hat. Ich werde tun was ich kann, aber ich denke nicht, das ich diese Tat vor irgendjemanden rechtfertigen kann.“ „Also bin ich dann eine Ausgestoßene?“ Hamuul konnte ebenfalls seine Tränen nicht mehr zurück halten. Er konnte diese Aufgabe niemanden anderen anvertrauen. „Warum ich? Warum schickst du ausgerechnet mich?“ Der Erzdruide drückte seine Schülerin an sich: „Weil ich dich in meiner Vision ebenfalls gesehen habe. Und so möchte ich dich auf keinen Fall wieder sehen. Geh jetzt, die Zeit drängt.“ Velfara löste sich aus der festen Umarmung und sah ihren alten Lehrmeister noch einmal tief in die Augen: „Ich werde tun, was ihr mir aufgetragen habt und ich hoffe man wird mir irgendwann vergeben.“ Das waren die letzten Worte die Hamuul hörte, als sie sich umdrehte und das große Zelt auf der Anhöhe der Ältesten verließ. Als sie in die weite Ferne blickte konnte sie den Troll beinahe riechen. Die Wolke die sie eingeatmet hatte, war eine Art Spur der sie folgen konnte. Sie beschloss sich ins Alteractal zu begeben und dort mit ihrer Suche nach Shadovv zu beginnen. Velfara schloss die Augen, ihre Gestalt wurde plötzlich kleiner, aus ihrem Fell wuchsen weiße Federn hervor. Ihre Schnauze nahm die Form eines Schnabels an und in nur wenigen Augenblicken formte sich der Rest des Körpers zu einer Sturmkrähe. Ohne ein Wort darüber zu verlieren flog sie davon in Richtung Londerons Küste.
Es vergingen endlose Tage bis Velfara die Küste von Londeron ereichte. Sie hatte öfters Pausen einlegen müssen um ihre erschöpften Flügel zu entspannen. Ihre Gestaltwandlungsfähigkeit half ihr auch hierbei. Während sie dem Meer entgegen stürzte, wurde aus den Federn eine dicke Haut die ihren ganzen Körper überzog. Ihr Schnabel wurde zu einer hundeähnlichen Schnauze und mit einem gewaltigen Platsch, durchstieß sie die Wasseroberfläche als Seehund. So konnte sie sich ein wenig zu Essen jagen und gemütlich von der Strömung treiben lassen. Zu lange wollte sie allerdings nicht in dieser Form verharren. Der Maelstrom der die beiden Kontinente von einander trennte war gefährlich. Keiner wusste genau was sich im Inneren dieses wirbelnden Etwas abspielte und genau genommen wollte sie dies auch gar nicht herausfinden. Satt von ein paar Weiselfischen sprang sie wieder aus dem Wasser und verwandelte sich im Flug wieder in eine Sturmkrähe. Die Küste war bereits in Sichtweite und der Geruch der Wolke die sie in Donnerfels aufnahm wurde immer stärker. „Was kann so grausam sein, das es einen Mord rechtfertigt“, fragte sie sich selbst. Während der Tage hatte Velfara versucht heraus zu finden, warum Hamuul Shadovvs Tod wollte. Und das obwohl der alte Taure beteuerte, dass Shadovv von größter Wichtigkeit wäre.
Hamuul hat mich nicht ohne Grund ausgewählt. Er hat mir definitiv etwas verschwiegen. Denk nach Velfara, denk nach. Warum sollte Hamuul jemand schicken, der nicht so gerne Befehle befolgt. Durch mein ungehorsam, hab ich mich selbst schon oft genug in Schwierigkeiten gebracht….will er etwa…
Velfara schoss kurz ein Gedanke der Hoffnung in den Kopf. Möglicherweise hatte Hamuul andere Pläne als er sie vorgegeben hatte. Der Geruch von Shadovv schoss ihr erneut in die Nase. Diesmal so intensiv, als würde er direkt neben ihr stehen. Sie hatte die Grenze zum Silberwald erreicht und suchte mit ihren äußerst scharfen Augen die Umgebung ab. „Hier oben bin ich so auffällig wie ein Kodo auf der Brachlandebene. Es wird Zeit für etwas Deckung.“ Velfara ging tiefer und landete auf einem der riesigen Bäume die wie ein Zelt den Boden umspannten. Wieder änderte sie ihre Form. Diesmal wurden ihre Klauen pelzig mit scharfen Krallen bestückt, ihr Schnabel formte sich zu einer Schnauze die einer Katze ähnlich war. Ihre hinteren Federn umschlangen sich selbst und bildeten das Ende eins Schwanzes. Nach wenigen Augenblicken hatte sich Velfara in eine weiße Löwin verwandelt. Lediglich ihre kleinen Hörner und etwas Körperbemalung unterschied sie von den in der Natur geborenen Jägerinnen. Anmutig bewegte sie sich durch das Baumlaub. Shadovv´s Fährte war stark. Er musste sich in der Nähe aufhalten. Zwischen den Blättern am Boden regte sich etwas. Der Troll war vorsichtig und schlich nahezu lautlos durch den Silberwald. Für ein paar Minuten verfolgte die Löwin ihn über die Baumkronen. Sie sprang geschickt von Ast zu Ast, lautlos und beobachtete. Vielleicht sollte ich ihn einfach zur Rede stellen….Aber um WAS zu erklären? Der Ast auf dem sie Shadovv hinter her schlich endete plötzlich. Der nächste war für einen Sprung zu weit entfernt. Ihr blieb nichts anderes übrig als von dem Baum zu springen und ihn zu Boden zu verfolgen. Sie machte eine weiche Stelle unter sich aus und sprang. Als sie landete brach unter ihrer rechten Vorderpfote ein kleiner Ast in Zwei. Das knacken war in dem Wald so laut wie eine Gerölllawine. Geduckt im Gras verharrte sie. Velfara hoffte das der Schurke sie nicht zu früh bemerkte. Sie sah im zu wie er in die Hocke ging. Ihr Herz raste vor Aufregung. Ihr Atem ging etwas schneller als gewohnt. Nach wenigen Augenblicken erhob sich der Troll wieder und wollte seinen Weg fortsetzten, allerdings blieb er erneut stehen und reckte seine große Nase in den Wind. Etwas zu seiner Rechten schien seine Aufmerksamkeit zu erregen.